Landesjugendchöre Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
Mitglieder des RIAS-Kammerchores
Justin Doyle, Einstudierung und Leitung
Kompositionen von Johannes Ockeghem, Thomas Tallis, Heinrich Schütz, Henry Purcell/Sven-David Sandstrøm, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, John Tavener, Reiko Füting (Uraufführung)
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Der Tod von Heinrich Schütz markiert eine epochale Zäsur der europäischen Musikgeschichte. Mit ihm ging einerseits eine erste Blütezeit der Musik zu Ende, andererseits hat er zukunftsweisende Wege aufgezeigt – kompositorisch, ästhetisch, musikorganisatorisch und durch sein europäisches Netzwerk mit seinen Zeitgenossen.
Gegenstand des Projektes „Klangkosmos Schütz.22“ ist die Auseinandersetzung mit der Kultur des 17. Jahrhunderts anhand seines Schaffens. Die Lebensthemen, die Umbrüche bzw. Wendepunkte (Dreißigjähriger Krieg, Reformation, Pest) dieser Zeit zu erschließen und erklingen zu lassen in Verbindung mit Werken der nachfolgenden Jahrhunderte, sollen diese Konzerte erfahrbar machen. Es geht nicht um einen rückwärtsgewandten Blick auf den Todestag, es geht um den kulturellen Brückenschlag bis in die Gegenwart: Das 21. Jahrhundert mit der Musik von Schütz zu verbinden.
In mehreren Arbeitsphasen im Festivaljahr 2022 werden die Landesjugendchöre von Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemeinsame Aufführungen in den vier Bundesländern erarbeiten. Erstmals in der Geschichte aller vier Landesjugendchöre kommt es zu einer groß-dimensionierten Zusammenarbeit im A-Cappella-Bereich. Ein weiteres Novum ist eine erst einzeln, dann gemeinsam erarbeitete und uraufzuführende Komposition. Damit verbunden ist auch das mehrstufige Zusammenwachsen von jeweils zwei (Arbeitsphasen Januar bis August) auf vier Landesjugendchöre (Arbeitsphasen September/Oktober).
Das Projekt mündet in Konzerte mit allen vier Landesjugendchören zusammen an drei zentralen Orten, die Schütz aufgesucht hat. Seine Vorstellung von Raummusik durch Mehrchörigkeit wird so in einem durchkomponierten Programm erleb- und hörbar.
Die Einstudierung und Leitung der September-Arbeitsphase und der Konzerte in Magdeburg, Freiberg und Schmalkalden hat Justin Doyle, Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des RIAS-Kammerchores, übernommen. Die Probenarbeit wird unterstützt durch Sänger*innen des RIAS-Kammerchores.
Die Abschlusskonzerte mit 40-stimmigen Werken von Johannes Ockeghem und Thomas Tallis (die sonst schwerlich aufführbar sind) stellen die Verbindung zu Felix Mendelssohn Bartholdy (175. Todestag) und Johannes Brahms (125. Todestag) her. Beide Komponisten haben die wichtige Schütz-Renaissance im 19. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt. Dieses breite Spektrum an Kompositionen stellt im Kontext mit Werken von Schütz und der Uraufführung von Reiko Füting „... weil wir leben“ den klingenden Kosmos Schütz.22 sowohl für die jungen Sänger*innen als auch für das Publikum auf eindrückliche Weise her.
Das Miteinander-Proben und -Konzertieren in solch sowohl besetzungsmäßigen als auch zeitlichen ausgedehnten Rahmen fördert intensiv den sozialen Aspekt der Begegnungen und lehrt die Jugendlichen mit Hilfe des gemeinsamen Miteinander-Singens, sich auch mit gesellschaftlichen Ambivalenzen auseinander zu setzen, miteinander zu erleben und zu lösen.
Die Beschäftigung mit so unterschiedlichen Epochen der Musik in einem Konzert wird das zukünftige musikalische Interesse der Sänger*innen beeinflussen und verändern. Gerade die vielstimmig besetzten Stücke des 16. Jahrhunderts stellen große, ungewohnte sängerische Heraus-forderungen dar, um die Klangauffächerung und Klangbalance dieser Werke adäquat zu realisieren.
Die Gegenwartsmusik bekommt mit dieser speziellen Komposition für das Projekt „Klangkosmos Schütz.22“ einen bewußt selbst-verständlicheren, gewichtigeren, weil persönlichen Stellenwert im Chorleben, gefördert durch Gespräche zwischen Komponisten, Dirigenten und den Jugendlichen während der Probenarbeit. Die Textfindung für das Uraufführungswerk wird mithilfe mehrerer interaktiver Foren mit allen 160 Sänger*innen und dem Komponisten realisiert.
Beim Hören und Miterleben der Aufführungen werden somit alle Seiten – Mitwirkende und Publikum - mit neuen Klangerlebnissen konfrontiert und bereichert.